Gemeinde Rellingen und Kirchengemeinde erinnern an zivile Opfer des 2. Weltkrieges
Auf dem Rellinger Friedhof kann fortan ein Stück Rellinger Geschichte wahrgenommen werden, wenn auch ein trauriges.
Es war schon seit einigen Jahren üblich, am Volkstrauertag nicht nur das Ehrenmal bei der Kirche, sondern auch die Gräber ziviler Opfer auf dem Friedhof aufzusuchen. Die Projektgruppe Frauen und Heimat hatte dazu die Initiative ergriffen, den Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter/innen und zivile Bombenopfer zu gedenken.
Da jedoch außer am Volkstrauertag kaum jemand von den Grabfeldern Notiz zu nehmen scheint, entstand die Idee, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen.
Der Gemeindearchivar hat zu den Grabfeldern Informationen und Hintergründe zusammengetragen und in einer digitalen Broschüre zusammengefasst. Seit einigen Tagen weisen vor Ort auf dem Friedhof neu aufgestellte Hinweistafeln auf die besonderen Grabfelder hin. Die digitale Broschüre ist über den QR-Code auf den Tafeln sofort mit dem Smartphone abrufbar, so dass die Hintergründe transparent werden.
Hintergrund
Der Volkstrauertag ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer von Gewalt und Krieg aller Nationen. Er wird jedes Jahr zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen. In der Gemeinde Rellingen beginnt das Gedenken traditionell am Gedenkstein in Egenbüttel und führt anschließend zum Denkmal für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges und die Toten des Zweiten Weltkrieges an der Rellinger Kirche. Seit einigen Jahren schließt die Veranstaltung mit einem Gang über den Rellinger Friedhof. Dort befinden sich örtlich getrennte Grabstätten polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, „unbekannter“ russischer Kriegsgefangener und ziviler Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs mit Bezug zur Gemeinde und ihrer Umgebung. Den Impuls für diese erweiterte Form der Erinnerung gab Anfang der 1990er Jahren Elsbeth Kraffczyk, als Teile der Grabstätten wegen der Errichtung der neuen Trauerhalle umgebettet werden sollten und durch ihre Initiative größere Aufmerksamkeit erhielten. Bis zu ihrem Tod 2009 suchten sie und weitere Rellingerinnen und Rellinger die Grabstätten des Rellinger Friedhofs nach der offiziellen Kranzniederlegung auf, schmückten die Grabsteine und gedachten den Toten. Seit 2015 hat die Gruppe "Frauen und Heimat" dieses erweiterte Gedenken wiederbelebt und seither gehört es zur Tradition des Volkstrauertages in Rellingen. Damit sollen neben den gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges auch die vielen zivilen Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft in die Erinnerungskultur der Gemeinde einbezogen und ihnen gedacht werden.
Allerdings sind die Existenz und Hintergründe der Opfergruppen und ihrer Grabstätten vielen Rellingerinnen und Rellingern sowie Besucherinnen und Besuchern des Friedhofs bisher nicht bekannt, da die Grabstätten für sich selbst keine Aussage über ihre Geschichte liefern. Daher sollen diese nun in Form von Gedenktafeln und der vorliegen Broschüre genauer beleuchtet werden, um die Geschichte der zivilen Opfer von Gewalt und Krieg aus Rellingen einem breiteren Publikum bekannt und zugänglich zu machen und damit ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. Das Gemeindearchiv Rellingen hat dafür die unterschiedlichen verfügbaren Quellen und die aktuellste Literatur zu den jeweiligen Grabstätten und Hintergründen der Opfergruppen zusammengetragen. Die Broschüre beginnt mit einer kurzen Einführung in das Themenfeld der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus im Allgemeinen, beschreibt anschließend die Situation in Rellingen und Umgebung und schließt mit Erläuterungen zu den zivilen Opfergruppen und Grabstätten auf dem Rellinger Friedhof.